Die Geschichte der Stadt Lehe
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Lehe als Ursprungsgemarkung der Seestadt
Bremerhaven
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Wie kam es zur Hafen- und Stadtgründung
auf dem Leher Areal?
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Wie wurden die Standortvorteile der Leher Flur
von der Schiffahrt genutzt?
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Lehe als Austragungsort von Interessenskonflikten
Dritter
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Die Landesherren von Lehe
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Was bedeutet der Name Lehe?
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Lehe als Urprungsgemarkung der Seestadt
Bremerhaven
Die Gemarkung Lehe umfaßte seit jeher unbestritten die größte
Grundstücksfläche im Verbund der Städte an der Weser- und
Geestemündung. So war es auch
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im Jahre 1924 beim Zusammenschluß der beiden bis dahin selbständigen
preußischen Nachbarstädte Lehe und Geestemünde unter
dem neutralen Namen Wesermünde und
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im Jahre 1947 bei der Umbenennung von Wesermünde in Bremerhaven (später
Seestadt Bremerhaven) im Zuge der Bildung des Landes Bremen als Fortsetzung
der amerikanischen Besatzungszone.
Auf dem Areal der Leher Ursprungsgemeinde (einschließlich
der Außendeichsgelände) sind aus heutiger Sicht
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die drei bevölkerungsreichsten Stadtteile der Seestadt Bremerhaven
entstanden
(Lehe, Leherheide und Mitte mit der City),
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alle Überseehäfen mit den dazugehörigen hafenspezifischen
Betrieben angelegt worden. Die Häfen bilden das wirtschaftliche Rückgrad
für die Existenz der Seestadt Bremerhaven und möglicherweise
auch für Bremen.
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die wichtigsten Ämter wie Stadtverwaltung, Polizei und Justizbehörden
eingerichtet worden.
Fazit: Mit zugegeben einem zumindest leicht angehauchten Touch von
Lokalpatriotismus, der hoffentlich unter objektiver Gewichtung der nachstehenden
Fakten nicht total falsch verstanden wird, kann zu Recht folgende Schlußfolgerung
gezogen werden:
Lehe
war der Name der größten Ursprungsgemarkung, hatte die geschichtsträchtigste
Vergangenheit und konnte sogar mit Adolf Butenandt einen Nobelpreisträger
aufweisen. Wenn diese Gesichtspunkte bei der Namensgebung der Seestadt
Bremerhaven gebührend berücksichtigt worden wären, so würde
diese Seestadt heute nach alter Gepflogenheit Seestadt Lehe heißen.
Würde man gar der Devise aus dem letzten Wahlkampf zur bremischen
Bürgerschaft
"Ohne Bremerhaven - kein Land Bremen" in aller
Konsequenz folgen, müßte auch das Land Bremen in Land Lehe
umbenannt werden.
Wie kam es zur Hafen- und Stadtgründung
auf dem Leher Areal?
Die Leher Flur, die auf einem sandigen Geestrücken im Winkel
des Weserstroms und des Geesteflusses gelegen ist, hat schon geografisch
bedingte Standortvorteile für einen Hafen- und Handelsort aufzuweisen.
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In der Wesermündung ist die Leher Flur der Ort, der von Schiffen
jeder Größenordnung zu jeder Zeit (also unabhängig vom
Tiefgang und der Tide) als der der Nordsee am nächsten gelegene
Umschlag-, Not- und Überwinterungshafen angelaufen werden kann.
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Für den Zugang zu dem sogenannten Weser-Elbe-Dreieck nimmt dieser
Ort eine Schlüsselstellung ein. Seit dem Mittelalter führten
die Heerstraße und der Postweg mit Fähr- und Brückenverbindung
von Bremen allein über Lehe ins Land Wursten, ins Land Hadeln
und in die Orte des dazwischen liegenden Geestrücken einschließlich
Ritzebüttel, dem späteren Cuxhaven.
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Für die Ansiedlung von schiffahrtsspezifischen Industrien, Gewerben
und Dienstleistungsunternehmen wie Werften, Fischverarbeitung, Umschlag
von Stückgut und Erz (heute auch Container, Kraftfahrzeuge, etc.)
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für die Besiedelung all der Personen, die für den Ablauf der
Wirtschaftsleistugen und für die vielseitige Lebensgestaltung erforderlich
sind, sind optimale Standortvorteile gegeben.
Wie wurden die Standortvorteile der Leher
Flur von der Schiffahrt genutzt?
Es ist bezeugt, daß zur Zeit der Völkerwanderung (ca. 5. Jhd)
vom Leher Geesteufer aus die Sachsen nach England übergesetzt
haben und daß 1776 alle Soldaten des Landgrafen von Hessen, die als
Söldner in englischen Diensten zum Einsatz im Unabhängigkeitskrieg
in den USA gezwungen wurden, vom
Leher Geesteufer nach Amerika eingeschifft
wurden.
Ganz sicher diente der Leher Anliegeplatz Bruggehausen an der
Geeste im Mittelalter durchgehend dem Umschlag von Gütern, die auf
dem Seeweg angelandet bzw. ausgeführt worden sind. Zu diesen Handelsgütern
zählten insbesondere Vieh, Getreide, Baumaterialien (Holz, Findlinge,
Ziegel, Mauer- und Feldsteine, Muschelkalk), Bier, Salz und Waltran.
Der Plan der Schweden, etwa ab 1670 von Lehe aus Anteil zu nehmen
an dem sich stetig ausweitenden Seehandel mit Amerika, Afrika und Asien,
scheiterte bereits im Anfangsstadium. Zwar konnte mit der Anlage der Festung
Carlsburg eine Voraussetzung für die Hafengründung als Gegenpol
zu Amsterdam, London und dem gleichzeitig von Dänemark in der Elbmündung
konzipierten Hafen Glücksstadt geschaffen werden. Die militärischen
und politischen Niederlagen Schwedens, insbesondere im Nordischen Krieg,
führten jedoch zur Aufgabe dieser Pläne auf dem Leher
Areal.
Die Standortvorteile der Leher Gemarkung, insbesondere deren
Außendeichsgelände im weitesten Sinne, hat letztendlich die
Stadt Bremen zu nutzen gewußt. Die Kaufmannschaft der Stadt Bremen
geriet nicht nur dadurch unter Druck, daß die Oldenburger Seite als
Weseranrainer immer mehr Rechte an diesem Strom geltend machte. Existenzbedrohend
war die Versandung der Weser für den Schiffsverkehr nach Bremen, selbst
nach Vegesack. Weil Anfang des 19. Jahrhunderts die Erkenntnisse für
eine Weserkorrektion (zum Entgegenwirken der Versandung) fehlten, bedeutete
der sich abzeichnende technische Fortschritt im Schiffbau
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Übergang vom Segelschiff zum Dampf- und Motorschiff, gleichzeitig
vom Holz- zum Stahlschiffbau.
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Übergang vom Einzelkollitransport zum Massengut- (später Container-)
Umschlag.
wegen des hiermit verbundenen größeren Tiefgangs der Schiffe
das Todesurteil für die bremischen Häfen.
Bremen machte auf dem Leher Areal Nägel mit Köpfen.
Häfen und Schleusen, jeweils dem neuesten technischen Stand entsprechend,
entstanden. Die bremischen Häfen zählen auch heute noch zu den
modernsten Häfen der Welt.
Neben dem Warenumschlag haben sich die bremischen Häfen auf ursprünglich
Leher
Grund und Boden auf dem Sektor des Passagierverkehrs bewährt. Im 19.
Jahrhundert waren der Boom der Auswanderer, im 20. Jahrhundert der Besuchs-
und Kreuzfahrtreiseverkehr bestimmend.
Lehe als Austragungsort von Interessenskonflikten
Dritter
a) Die Lage des Leher Areals genau an der engsten Stelle der hier
trichterförmig zusammenlaufenden Wesermündung stellte für
die Schiffahrt nach Bremen einen erheblichen Gefahrenpunkt dar, wenn Lehe
von dem damaligen Recht auf Strandgut Gebrauch macht, wobei die Grenze
zum Strandraub allzu leicht überschritten werden konnte und auch wurde.
So kamen die Leher wie auch die Wurster und Butjadinger immer wieder
in den Verdacht, bei Strandungen nicht als legale Strandgutberger, sondern
als gesetzlose Seeräuber zu handeln.
Der Rat der Stadt Bremen hat sich daher zur Abwendung dieser Risiken
schon 1421 die Herrschaft über Lehe vertraglich gesichert.
Durch die Bedingungen des Westfälischen Friedens gingen diese Rechte
nach höchstrichterlicher Entscheidung 1654 an Schweden verloren.
b) Die unmittelbare Nachbarschaft zum Land Wursten führte immer
wieder zu Grenzstreitigkeiten. Unklarheiten über den Umfang von Rechten
und Pflichten waren wiederholt Gegenstand von Handgreiflichkeiten.
c) Das Land Wursten versuchte mit allen Mitteln seine von den Landesherren
errungenen Eigenständigkeit und Eigenverwaltung zu erhalten. Nicht
nur Sturmfluten waren existenzgefährdend. Weit brutaler waren die
Landesherren, die konstruierte Herrschaftsansprüche umsetzen wollten.
Hierbei geriet Lehe wiederholt zwischen die Fronten und trug erheblichen
Schaden davon.
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So wurde Lehe in Mitleidenschaft gezogen, als 1408 die Wurster den Bau
der Stinteburg auf Leher Grund und Boden zerstörten. Der Erzbischof
von Bremen war somit schon zu Beginn gescheitert, Ansprüche auf Land
Wursten zum Ausdruck zu bringen.
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Herzog Magnus von Sachsen-Lauenburg nimmt 1484 und der Erzbischof 1499
Lehe zur Stationierung seiner Truppen in Beschlag, um von hieraus Land
Wursten zu erobern. Beide Versuche scheiterten. Die Zwangseinquartierungen
führten für die Leher wiederum zu erheblichen Beeinträchtigungen
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Erzbischof Christoph von Bremen zieht 1517 wieder gegen die Wurster zu
Felde. Sieben Wochen quartierten sich seine Soldaten in Lehe ein.
Ein teilweiser Erfolg der Wurster über die Bremer varanlaßte
die Wurster Lehe zu plündern und mehrere Häuser in Brand
zu stecken. Auch der Rachefeldzug der Bremer 1524 gegen die zwar besiegten,
jedoch wieder aufbegehrenden Wurster wurde über Lehe geführt.
d) Im Schmalaldischen Krieg gerät Lehe wegen seiner Zugehörigkeit
zu Bremen, das gegen den Kaiser Stellung bezogen hatte, in eine bedrohliche
Lage, als 1547 kaiserliche Truppen auf Lehe anrücken und die
Plünderung und Brandlegung Lehes androhen. Die Gefahr konnte
jedoch durch erhebliche Geldleistungen abgewendet werden.
e) Vom 30jährigen Krieg blieb Lehe ebenfalls nicht verschont.
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Tilly rückt 1627 in Lehe ein. Auch in diesem Fall konnte Lehe
sich nur durch Zahlung erheblicher Geldbeträge von der Last der Zwangseinquartierung
befreien.
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Die Weigerung Bremens, die Bedingungen des Westfählischen Friedens
im Sinne Schwedens zu erfüllen, beantworteten die Schweden 1654 mit
der Besetzung Lehes und mit der Anlage der Leher Schanze
im Winkel zwischen Weser und Geeste. Diese Befestigung wird 1657 von dänischen
Schiffen erobert, jedoch im Gegenzug nach viertägiger Belagerung an
die Schweden zurückgegeben.
f) Die Schweden festigen Lehe als Truppenstandort in der Umsetzung
des Plans, auf Leher Grund und Boden einen Konkurrenzhafen zu Amsterdam
und London anzulegen. 1672 werden schwedische Truppen in Lehe einquartiert,
bis sie in die im Bau befindliche Befestigungsanlage Carlsburg einziehen
konnten. Lehe wird verpflichtet, alle mit der Stationierung anfallenden
Lasten zu tragen.
Im Winter 1675/1676 wurde die Festungsanlage von den Dänen angegriffen
und besetzt. Bis 1680 steht die Anlage unter dänischer Aufsicht.
g) Während des Siebenjährigen Kriegs sind die Franzosen und
Engländer zeitweilig in Lehe einquartiert worden. Lehe
muß erhebliche Aufwendungen für die Unterbringung und Verpflegung
tragen.
h) Die napoleonische Zeit bescherte Lehe viel Leid und erhebliche
Verluste. 1795 werden englische Soldaten über Lehe zum Einsatz
gegen Frankreich mit Schiffen angelandet und wieder rückgeführt.
Die Quartierungslasten während der Zeit der Einschiffung trägt
Lehe.
i) Der Aufstand der Leher und Wurster 1813 gegen die vermeintlich
besiegten Franzosen führt für die Leher zur größten
Katastrophe. Die Franzosen plündern im Gegenzug Lehe und töten
60 Leher. Auch das etwas spätere Einrücken russischer
Soldaten bedeutet eine erhebliche Belastung für die Bewohner Lehes.
k) Im 2. Weltkrieg wurde Lehe mehrmals Ziel britischer Bomber.
Eine Vielzahl von Häusern wurden durch Spreng- und Brandbomben zerstört.
Viele Einwohner verloren bei den Luftangriffen ihr Leben.
Die Landesherren von Lehe
um 800 |
Karl der Große entmachtet die sächsischen Stammesfürsten
und beruft eigene Grafen. Die Herrschaft über Lehe üben
die Herren von Bederkesa und die Grafen von Stotel aus |
1228 |
Der Erzbischof von Bremen übernimmt auch die weltliche Herrschaft
über Lehe |
1421 |
übernahm der Rat Bremen die Rechte über Lehe vom Erzbischof
von Bremen |
1653 |
besetzten schwedische Truppen Lehe in Vollzug der Bedingungen
des Westfählischen Friedens |
1711 |
besetzten dänische Truppen Lehe aufgrund ihrer militärischen
Erfolge über Schweden |
1715 |
erwirbt das Kurfürstentum Hannover aus dem Hause Braunschweig-Lüneburg
das sekularisierte Erzstift Bremen, jetzt Herzogtum Bremen, zu dem auch
Lehe gehört |
1866 |
annektiert Preußen Hannover. Lehe gehört bis 1945
zu Preußen |
1924 |
Lehe vereinigt sich mich Geestemünde zu Wesermünde
und verlor als Stadtteil von Wesermünde seine kommunale Selbstständigkeit |
ab 1947 |
gehört Lehe als Stadtteil der Seestadt Bremerhaven zum
Land Bremen |
Was bedeutet der Name Lehe?
Es gibt mehrere Orte mit dem Namen "Lehe". Zum Beispiel außer
unserem:
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Lehe südlich von Varel in Ostfriesland
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Lehe als Teil von Horn-Lehe östlich von Bremen
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Lehe als Teil von Lunden an der Westküste von Schleswig-Holstein
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Lehe an der Ems, südlich von Papenburg
In den Urkunden ist immer mundsprachlich "Lehe" = Lee oder Le angeführt,
woraus man schloß, daß es sich um das plattdeutsche Wort für
Sense handelt (als Pendant Spaten für das an Lehe angrenzende Dorf
Spaden). Das soll allerdings falsch sein. Die überwiegende Meinung
der Sachverständigen lautet: Lehe bedeutet das althochdeutsche
Wort für Lieth, was so viel heißt wie Hügel. Lehe
liegt auf dem Ausläufer der eiszeitlich gebildeten Hohen Lieth, dem
Geestrücken zwischen Cuxhaven und Bremerhaven. Lehe soll auch
mit Luv und Lee aus der Schiffahrt nichts zu tun haben. Die Deutung Lehe
als Ort im Lee (also der dem Wind abgewandten Seite) zur Weser gelegen
soll falsch sein.
Diese Ausführungen zur Geschichte Lehes erheben keinen Anspruch
auf Vollständigkeit und Fehlerlosigkeit.
Rudolf Mark, Hobby-Heimatforscher
mit unverkennbar einseitig auf Lehe ausgerichtetem Blick,
Lehe, August 1999
letzte Änderung März 2001